Aurie und die Liebe
Aurie lehnte an ihrem Apfelbaum und war glücklich. Ihr ging es ziemlich gut. Seitdem sie Noah getroffen hatte, hatte sie so viel gelernt und das hatte ihr Leben deutlich verändert. Sie atmete tief ein und ließ sich auf dem Rücken ins Gras sinken. Von dort beobachtete sie den Himmel durch die Blätter des Baumes. Wie viel Leichtigkeit ihr Leben doch gewonnen hatte.
Seitdem sie gelernt hatte, ihr Energiefeld aktiv zu schützen, fühlte sie sich viel kraftvoller und präsenter. Sie konnte den Tag wieder bewusster erleben und sich an den vielen Kleinigkeiten freuen. Auch wenn die Welt um sie herum noch immer viel Schwere hatte – sie konnte sie jetzt besser aushalten, sich besser davon abgrenzen. Und sie hatte vor allem kein schlechtes Gewissen mehr, ihr eigenes Strahlen zu leben.
Vor allem aber war Aurie dankbar dafür, dass Noah ihr beigebracht hatte, wie sie ihn besser wahrnehmen und auf seine Zeichen hören konnte. Das war doch eine große Hilfe für sie, wenn es ihr gelang wachsam genug zu sein und diese zu bemerken. So hatte sie erst letztens auf dem Schulhof bei einer Gruppe von Kindern gestanden und mit ihnen gelacht und gescherzt. Plötzlich hatte Aurie gemerkt, wie die Stimmung sich veränderte, allerdings konnte sie es nicht zuordnen. Und dann konnte sie innerlich eine Warnung spüren, besser zu einer anderen Gruppe von Mädchen auf der anderen Seite des Schulhofes zu gehen. Sie folgte diesem Impuls und gesellte sich zu ihnen. Von dort konnte sie beobachten, wie plötzlich Streit unter den anderen Kindern ausbrach und zwei Jungen aufeinander losgingen. Wäre sie dort geblieben, wäre sie unmittelbar in den Kampf hinein geraten. Aurie seufzte dankbar.
Aurie dachte weiter darüber nach, wie leicht es ihr nun fiel, auf diese inneren Impulse und die Führung der Engel zu vertrauen. Sie wunderte sich, warum das anderen nicht gelang und die meisten daran zweifelten. Kaum hatte sie sich diese Frage innerlich gestellt, spürte sie eine große Wärme und tiefen Frieden in sich. Sie wusste, Noah war da. Aurie setzte sich auf und sah Noah in seinem strahlenden Gelb-orange, wie er ihr lächelnd gegenübersaß.
„Eine wichtige Frage, Aurie. Warum gelingt es Dir denn, der inneren Führung zu vertrauen?“
„Ich erinnere mich an die Liebe, die Liebe, die alle Menschen miteinander verbindet. Und ich bin selbst ganz tief mit dieser Liebe verbunden. Seitdem ich mich wieder an meine Vision erinnere, ist mir das ganz klar geworden.“ antwortete Aurie. „Ich habe nicht das Gefühl, dass ich diese Liebe jemals wieder verlieren kann, außer, wenn ich sie selbst nicht mehr will.“
„Richtig, Aurie. Die Liebe, die der Ursprung allen Lebens ist, kann Dich nicht verlassen. Sie ist Teil von Dir, sie fließt durch Dein Leben.“ bestätigte Noah.
„Aber wieso können so viele Menschen diese Liebe in sich nicht mehr spüren? Wieso haben sie die Verbindung zu ihr verloren?“ wollte Aurie wissen.
„Erinnere Dich daran, was ich Dir erzählt habe: Wenn die Kinder auf die Erde kommen, dann sind sie sich ihrer Fähigkeiten noch voll bewusst, die Verbindung zur tiefen Kraft der Liebe ist noch ganz stark und der Glaube an die eigene Vision und Kraft ist enorm. Lernen auf der Erde funktioniert aber so: wir orientieren uns an den anderen. Wenn Du aber niemanden um Dich hast, der mit dieser tiefen Liebe bewusst verbunden ist, der sich selbst noch an seine Vision erinnert – die Erwachsenen haben sie meist vergessen – dann wirst Du von außen nicht bestärkt, weiter daran zu glauben. Mit den äußeren Einflüssen gerät die Verbindung zu der tiefen Liebe in Vergessenheit; die meisten Kinder lernen nicht, diese Verbindung aktiv zu stärken. Irgendwann hat die Realität, die Du im Außen täglich erfährst, mehr Bedeutung als die Realität in Deinem Inneren, die im Verborgenen liegt. Und dann kommt der Zweifel. In dem Moment, in dem Du zweifelst, verlässt Du aber das Vertrauen. Wenn Du nicht mehr vertraust, ist innere Führung nicht machbar. Zweifel ist Widerstand. Und gegen Deinen Willen ist innere Führung nicht möglich.“ erklärte ihr Noah.
Aurie war in diesem Moment sehr dankbar, dass sie die Verbindung zu dieser tiefen Liebe nie ganz verloren hatte
„Du hast Dein Herz nicht verschlossen und es weiter offen gehalten. Viele Kinder – und auch Erwachsene – verschließen ihr Herz, weil sie den Schmerz, von der Liebe getrennt zu sein, nicht aushalten. Dadurch entsteht allerdings nur ein noch größerer Schmerz.“ Noah blickte Aurie gutmütig an.
Aurie nickte traurig. Sie hatte diese Erfahrung ja selbst gemacht, dem Schmerz mehr Raum gegeben als der Liebe in sich. Wieder war sie dankbar, dass Noah ihr gezeigt hatte, wie sie sich davor schützen konnte.
„Die Liebe in den Menschen geht nie verloren, Aurie. Sie schlummert nur manchmal sehr tief in ihnen. In dem Moment, in dem sie von einem Strahlen im Außen angestoßen wird und der andere sich dadurch wieder der Liebe in sich bewusst wird, wird sie sich wieder entfalten. Vertrau darauf, dass Deine Vision Wirklichkeit wird.“
Noah sah Aurie sanft an und sie konnte eine tiefe Wärme in ihrem Herzen spüren.
„Die Entscheidung für die Liebe muss jeder aktiv selbst treffen. Indem die Menschen sehen, dass diese tiefe Verbindung mit der Liebe möglich ist und sie Deine Kraft spüren, die Du daraus schöpfst, stärkt es ihren Mut, sich selbst für die Liebe zu entscheiden und auf diese Kraft zu vertrauen. Dein tiefes Vertrauen in die Liebe und die Verbindung damit ist nicht nur für Dich selbst von Bedeutung, sondern auch für alle Menschen in Deinem Umfeld.“
„Können die Menschen nicht auch selbst etwas tun, um die Verbindung mit der Liebe wieder zu stärken und ihr Herz wieder dafür zu öffnen?“ wollte Aurie wissen.
„Selbstverständlich können die Menschen auch selbst etwas dafür tun. Die Verbindung mit der Liebe wieder zu stärken und diese Kraft in die Welt zu tragen ist sehr wichtig und die Verantwortung jedes Einzelnen. Wenn die Kinder lernen, ihre Liebe nicht in ihren Herzen zu verschließen, sondern ihre Herzen offen zu halten, werden sie die Welt nachhaltig verändern.“ sagte Noah.
„Und was können die Kinder tun?“ fragte Aurie abermals.
„Jedes Kind hat etwas, was es sehr gerne und bedingungslos mag: Blumen, Tiere, einen anderen Menschen… Was magst Du sehr gerne?“ fragte sie Noah.
„Ich liebe Rosen! Ich liebe ihre Farben, ihren Duft, ihre Vielfalt. Ich kann mich nicht sattsehen an ihnen.“ Aurie lächelte dabei glücklich.
„Wenn Du eine Rose betrachtest, was passiert dann in Dir?“ fragte Noah weiter.
„Ich habe das Gefühl, als würde mein Herz ganz weit, erfüllt von Wärme und Glück, wenn ich eine Rose anschaue. Ich versuche die Rose mit all ihren Details zu sehen, sie in ihrer ganzen Schönheit wahrzunehmen. Ich finde, auch wenn sie schon am Verblühen sind, sind sie immer noch wunderschön. Ich bin innerlich voller Staunen und gleichzeitig dankbar, dass ich ihr begegnen durfte. Und ich segne sie und wünsche ihr Stärke und Schutz.“ Aurie lächelte weiter, als sie Noah davon erzählte.
„Jetzt schließ die Augen und betrachte Dich selbst genauso, wie Du eine Rose betrachten würdest, liebe Aurie. [1] Versuche all Deine Details zu sehen und Deine Schönheit wahrzunehmen. Betrachte Dich voll Staunen und sei dankbar, dass es Dich gibt, so, wie Du jetzt gerade da bist. Segne Dich selbst und wünsche Dir Stärke und Schutz.“ wies Noah sie sanft an. „Du kannst das auch immer wieder vor einem Spiegel üben, das ist vor allem am Anfang vielleicht etwas leichter.“
Aurie saß mit geschlossenen Augen da und betrachtete sich selbst innerlich. Sie merkte, wie sie dabei begann zu strahlen. Vor allem, als sie sich selbst segnete spürte sie eine große Kraft in sich strömen.
Als sie die Augen wieder öffnete, sah sie, wie Noah sie zufrieden anlächelte.
„Diese Übung wird Deine Verbindung mit der Liebe noch weiter stärken und die Kraft, die Du dadurch ausstrahlst, wird für andere noch deutlicher wahrzunehmen sein.“ sagte Noah.
„Außerdem ist es wichtig, die Liebe ganz gezielt in die Welt zu schicken. Wenn die Menschen wollen, dass sich ihre Welt verändert, dann müssen sie der Liebe mehr Raum und Kraft geben.“ meinte Noah. „Erinnere Dich an das Gesetz der Anziehung, das ich Dir erklärt habe. Nur, wenn wir Liebe in die Welt geben, kann sie auch zu uns zurückkommen. Du hast die Erfahrung mit Paul bereits gemacht: Du hast seine Freundlichkeit nur erfahren können, weil Du Dich ihm gegenüber freundlich verhältst. Die Menschen denken, dass es umgekehrt sein muss, dass die Liebe von außen kommen muss, damit sie sie in sich spüren können. Aber das ist ein Irrtum.“ Noah machte eine kurze Pause.
„Möchtest Du jetzt Liebe in die Welt schicken?“ fragte sie Noah.
„Oh ja, sehr gern!“ rief Aurie.
„Dann schließ die Augen. Ich zeige Dir eine Möglichkeit:“ Noah lächelte sanft.
„Atme bewusst von Deinem Scheitel bis in die Fußsohlen, wie ich es Dir schon beigebracht habe, um in die tiefe Entspannung zu kommen. Konzentriere Dich auf Dein inneres Energiefeld.
Suche in Deiner Erinnerung nach einem Erlebnis, das Dich tief berührt hat. Bei dem Du Dein Herz ganz weit, weich und offen empfunden hast. Bei dem es voller Liebe war, die aus Dir und in Dich strömen konnte. Geh ganz bewusst zurück in diese Erinnerung. Nimm Deinen Körper in diesem Moment wahr, Deinen Herzensraum. Wie fühlt es sich an, in dieser Fülle der Liebe? Sei Dir bewusst, dass dies nur ein Bruchteil dessen ist, wie es sich anfühlt, wenn Du ganz mit der unendlichen Liebe verbunden bist. In dieser Fülle der Liebe werden wir geboren.
Fülle Dein Herz ganz mit diesem Liebesbewusstsein an, mit jedem Atemzug, lass die Liebe in Deinem Herzen wachsen. Und nun, lass die Liebe mit Deinem Atem fließen. Zu wem ist es für Dich leicht, diese Liebe fließen zu lassen? Menschen, Tiere, Länder, die Erde. Sowie Du die Liebe zu ihnen fließen lässt, wird sie sich auch mit jedem Atemzug wieder in Deinem Herzen sammeln. Ein Kreislauf der Liebe. Sei dem gewahr. Fühle die Weite, die Freiheit, die Tiefe in Deinem Herzen.
Und nun denke an einen Fleck auf der Erde, an dem Du Dein Herz normalerweise enger empfindest. Halte die Liebe in Deinem Herzen und lass den Liebesatem dorthin strömen. Und immer, wenn Du geneigt bist in die Enge zurück zu gehen, sei Dir bewusst, Du bist reine Liebe. Die unendliche Liebe urteilt nicht. Sie ist da. Sei Du mit Deiner Liebe da. Halte Dein Herz offen. Ganz in der Liebe geborgen.
Und jetzt, blick auf Dich, in diesem Moment. Und lass Deine Herzensliebe zu Dir strömen. Mit der gleichen Offenheit, mit der gleichen Tiefe, genauso liebevoll. Lass Dir reine Liebe zu Teil werden. Hülle Dich ganz darin ein. Das ist Deine wahre Natur. Sei Dir dessen mit jedem Atemzug bewusst.“
Aurie atmete tief und lächelte. Sie fühlte eine tiefe Ruhe und Kraft durch sich strömen. Sie öffnete die Augen und lächelte Noah still an.
„Wir werden auch irgendwann darüber sprechen, wie Du alte Verletzungen und Schmerzen heilen kannst. Das ist notwendig, damit die Liebe noch freier fließen kann und sich Dein Herz noch weiter öffnet. Allerdings erzähle ich Dir heute nicht mehr davon.“ Noah lächelte sie gütig an.
„Jetzt ist es erstmal wichtig, dass Du die Kraft der Liebe in Dir weiter stärkst. Die Verbindung mit der Liebe ist nämlich die Voraussetzung für Vertrauen und die Möglichkeit, sich von der gleichen Kraft führen zu lassen, die auch die Blumen wachsen lässt.[2] Aber darüber werden wir beim nächsten Mal sprechen.“
Noah erhob sich und zwinkerte Aurie zu: „Du strahlst wunderschön, wenn Du so tief mit der Liebe verbunden bist. Dein Strahlen wird noch viele Menschen berühren.“
Ehe Aurie dazu etwas sagen konnte, war Noah aber bereits verschwunden. Sie lehnte sich an ihren Apfelbaum und blickte durch die Blätter in den Himmel. Da bemerkte sie, dass sie ein tiefes Gefühl der Verbundenheit und des Geborgen seins in sich spürte. Die Sehnsucht, mit der sie sonst immer in den Himmel blickte, hatte nachgelassen.
„Die Liebe ist in Dir zu Hause, sie ist niemals getrennt von Dir.“ hörte sie da Noah sagen und Aurie musste lächeln.
[1]
Byrne, L. (2016). Liebe. Das Geschenk des Himmels. 4. Auflage. München: Wilhelm Goldmann Verlag.
[2] Williamson, M. (1995). Rückkehr zur Liebe. Harmonie, Lebenssinn und Glück durch „Ein Kurs in Wundern“. 12. Auflage. München: Wilhelm Goldmann Verlag.
© Sara Hiebl